Das „Mieterstromgesetz“ ist nun beschlossene Sache. In der letzten Sitzung der Legislaturperiode am 30. Juni passierte der Gesetzentwurf den Bundestag. Zum Inkrafttreten fehlt jetzt noch das grüne Licht des Bundesrats. Zumindest für den Augenblick scheint es einen klaren rechtlichen Rahmen zu geben, in dem sowohl alte als auch neue Akteure agieren können.
Der Begriff Mieterstrom ist für die Energiebranche kein Neuer. Bereits mit der EEG Novelle 2009 und der damit einhergehenden Einführung der gleitenden Degression für PV-Vergütungssätze begannen Energieversorger sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, dezentral erzeugten Strom alternativ zur Netzeinspeisung zu vermarkten. Oftmals mit der Idee, die Eigenstromnutzung zu optimieren. Auf der Suche nach einer flächendeckenden Lösung, entstanden erste Ansätze für Mieterstrom in Wohngebäuden.
Mit der Förderung der Direktvermarktung im EEG 2012 kam dann Bewegung in den Markt und konkrete Mieterstromangebote entstanden. Aufgrund hoher Fixkosten und organisatorischer Aufwände sowie komplizierten Abrechnungsmodellen und Messkonzepten wurde das Potenzial jedoch nicht annähernd ausgeschöpft – obwohl rund 66 % der Mieter in Deutschland sich vorstellen können, Mieterstrom selbst zu beziehen. Die Kosten für Abrechnung, Vertrieb und Messung waren bislang schlichtweg zu hoch. Der fehlende Zubau von PV-Anlagen kommt erschwerend hinzu. Um sowohl die PV-Ausbauziele zu erreichen, als auch die Mieter und Vermieter an der Energiewende zu beteiligen entwarf der Gesetzgeber das Mieterstromgesetz, das Mieterstrom aus PV-Anlagen auf Wohngebäuden fördern soll.
Neuer Gesetzesrahmen „Mieterstromgesetz“ – Was bedeutet das konkret?
Das Mieterstromgesetz enthält vier wesentliche Eckpunkte, die sich maßgeblich auf die Produktgestaltung und die Umsetzung von Mieterstromprojekten auswirken werden:
1. Definition Mieterstrom
Strom aus PV-Anlagen (bis 100 kWp) für Dritte, der in unmittelbarer räumlicher Nähe genutzt wird. Entgegen dem ersten Entwurf des Gesetzes, in dem der Strom nur von den Mietern verbraucht werden konnte, die unter dem PV-Dach wohnen, kann dieser nun für Wohngebäude mit räumlichem Zusammenhang genutzt werden. Voraussetzung hierfür ist keine Netzdurchleitung. Insbesondere die Wohnungswirtschaft wird dies sicherlich erfreuen, da somit ganze Quartiere (und darüber viele Kunden) mit Mieterstrom versorgt werden können.
2. Zuschlag für Mieterstromstrong
Anlagenbetreiber erhalten eine Förderung (Mieterstromzuschlag) in Höhe der anlagespezifischen Einspeisevergütung des EEG minus 8,5 ct/kWh. Die Förderung ist zudem nur für Neuanlagen möglich, Bestandsanlagen sind zum Erhalt nicht berechtigt.
3. Deckelung der Förderung
Die Förderung ändert sich entsprechend dem sogenannten „atmenden Deckel“ analog der zugebauten Menge. Gleichzeitig ist der geförderte Zubau auf 500 MW pro Jahr beschränkt. Da das Marktwachstum somit begrenzt ist, zahlt sich hier Schnelligkeit aus.
4. Abschluss und Preis des Mieterstromvertrags
Gesetzlich wird zwischen Miet- und Mieterstromvertrag unterschieden, wodurch die freie Wahl des Stromlieferanten unberührt bleibt. Für Mieterstrom wird eine Preisobergrenze eingeführt, die 90 % des jeweiligen Grundversorgungstarifs nicht überschreiten darf – möglicherweise ein Machtinstrument des Grundversorgers, um dritte Anbieter abzuwehren.
Fazit und Ausblick:Nur Wenige konnten bislang effizient und somit wirtschaftlich Mieterstromprojekte umsetzen, wodurch eine flächendeckende Umsetzung ausblieb. Mit dem neuen Mieterstromgesetz gibt es erstmalig einen klaren gesetzlichen Rahmen. Ob damit die Wirtschaftlichkeitslücken geschlossen und die Anreize für den Ausbau entsprechend gesetzt werden können, bleibt offen. Gefragt sind jetzt die Energieversorger, das Thema Mieterstrom wieder auf die Agenda zu setzen. Denn nicht nur die brancheninterne, sondern auch die branchenexterne Konkurrenz Wohnungswirtschaft nimmt sich dieses Themas an. Letztgenannte wagen mehr und mehr den Einstieg in das Energiegeschäft und erschweren den Platzhirschen den Vertrieb und Zugang zum Kunden. Eines ist sicher: Es kommt Schwung in den Markt.
Energieversorger sind daher jetzt gefragt und zum Handeln gezwungen. Nur was tut man, wenn nicht alle Fakten klar sind und eine Gesetzesänderung bevorsteht, die ein altes Thema wieder zum Leben erweckt?
Die Beratungspraxis zeigt, dass sich insbesondere bei neuen und branchenübergreifenden Themen das Ausnutzen des Momentums und der Unsicherheit positiv auf die Ausgestaltung der Themenstellung auswirkt. Dabei müssen diese nicht zwingend allein angegangen werden. Eine Bündelung von Kompetenzen und Erfahrungen verhilft dabei eher zum Erfolg als der Alleingang. Ein bewährtes Vorgehen, das häufig genutzt wird, um Veränderungen im Markt zu begegnen, basiert auf drei aufeinander aufbauenden Schritten.
Schritt 1 Verstehen der Gesetzesänderungen und ‑auswirkungen
Klärung der Eckpunkte und Auswirkungen des Gesetzes und Verschaffung eines Überblicks über die Faktoren erfolgreicher Mieterstrommodelle sowie eines Ausblicks über die Entwicklung in angrenzenden Märkten, z. B. Nahwärme oder Contracting, die mit Mieterstromangeboten kombiniert werden können.
Schritt 2 Kreativität zur Gestaltung eines Mieterstrom-Angebotes (unter Einbezug von möglichen Kooperationspartnern)
Identifikation der Bedürfnisse und Probleme der Kunden, z. B. durch die Nutzung von modernen Kreativitätstechniken zur Entwicklung von passenden und attraktiven Angeboten, auch mit Hilfe von Partnern.
Schritt 3 Aufbau und Definition des Geschäftsmodells
Überführung der Produktansätze in konkrete Geschäftsmodelle, Ableitung wirtschaftlicher Potenziale und „Knackpunkte“, Benennung von Schlüsselaktivitäten und ‑partnern sowie Durchführung einer Testphase direkt am Kunden.
Im Ergebnis dienen die drei Schritte dazu, Chancen im neuen Markt durch Aufbau von Know-how und Transfer nutzbar zu machen, um das Risiko, Kunden und Geld zu „verbrennen“, zu reduzieren. Schließlich müssen Energieversorger nicht jede Stufe der Wertschöpfung selbst übernehmen, sondern können einzelne Aufgaben (geplant) an Kooperationspartner oder Dienstleister übergeben, um das eigene Mieterstromprodukt optimal auszugestalten.
Wir als con|energy unternehmensberatung unterstützen Sie gerne bei der erfolgreichen Positionierung im Mieterstrommarkt, der Produktentwicklung und dem Vertrieb Ihres Mieterstromproduktes. Dazu bringen wir unsere Erfahrung aus verschiedenen Projekten mit Energieversorgern und der Wohnungswirtschaft mit ein, zum Beispiel in Form von Impulsvorträgen und Kreativworkshops.
Erschienen im conenergy Newsletter Ausgabe 36 (Juli 2017).