Der Großkundenvertrieb setzt viel daran, mit kundenindividuellen Angeboten, maßgeschneiderten Konditionen und einem direkten Kommunikationskanal beim Kunden zu punkten und sich im bekanntermaßen umkämpften Markt durchzusetzen. Doch am Ende des Tages zählt häufig in erster Linie eins: Der Preis. Oft machen einheitliche und zu hohe Risikoaufschläge vertriebliche Anstrengungen zunichte. Sie führen unbemerkt sogar zu einer sukzessiven Verschlechterung des Risikoprofils des gesamten Portfolios. Risikoadjustierte und kundenspezifische Aufschläge ermöglichen hingegen neue Perspektiven auf die gelebte Pricing-Praxis.
Die Aufgabe des Risikoaufschlags ist, Preis- und Mengenrisiken einzupreisen. Diese Risiken entstehen durch die Unsicherheit über die Marktpreisentwicklung und die tatsächliche Realisation des Kundenlastgangs. Prinzipiell steht die Festlegung der Aufschlagshöhe im Spannungsfeld zwischen Beschaffung (hinreichende Risikoabsicherung) und Vertrieb (Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit). Aktuell ist am Markt ein zunehmender Verfall der Aufschläge zu beobachten. Die Aufschlagshöhe und ‑ermittlungssystematik rückt nun zunehmend in den Fokus von Entscheidungsträgern in Vertrieb, Beschaffung und Portfoliomanagement – es stellen sich Fragen wie: „Passen unsere Methodik und Annahmen noch zum Markt?“, „Sind unsere Aufschläge hinreichend differenziert?“, „Werden die kundenspezifischen Risikoprofile adäquat abgebildet?“. Besonders die einheitliche und undifferenzierte Bewertung aller Kunden birgt die Gefahr einer negativen Selektion. Denn Kunden mit einem günstigen Risikoprofil erhalten systematisch einen zu hohen Aufschlag – und gelangen so erst gar nicht ins Portfolio. Andererseits erhalten risikoreichere Kunden einen zu geringen Aufschlag und gelangen daher eher ins Portfolio. So verschlechtert sich systematisch das Risikoprofil des Gesamtportfolios.
Die con|energy unternehmensberatung hat einen RORAC-basierten Bewertungsansatz entwickelt, welcher die saubere Trennung von Kosten und Risiken ermöglicht und jeden einzelnen Kunden als Teil des Gesamtportfolios berücksichtigt. Hierzu werden in einem integrierten Simulationsmodell konsistente Preis- und kundenspezifische Lastszenarien simuliert. So können neben den Kosten auch Portfolioeffekte quantifiziert und effizient auf alle Verbraucher des Portfolios verteilt werden. „Gute“ Verbraucher erhalten einen geringeren Aufschlag, als „schlechte“.
Die eigentliche Höhe des Aufschlags wird im Rahmen einer integrierten Monte-Carlo-Simulation ermittelt. Diese generiert eine Vielzahl zueinander konsistenter Szenarien über Preis- und Mengenentwicklungen (Abb. 1). In jedem Szenario ergeben sich, kundenspezifisch und für das gesamte Portfolio, Erlöse sowie Kosten für die Energiebeschaffung und etwaige Ausgleichsenergie (bei Gas-Kunden zusätzlich Strukturierungsbeiträge). Das Ergebnis ist eine Verteilung der erzielbaren Roherträge. Der Gesamtaufschlag wird auf der Basis der Rohertragsverteilung ermittelt und besteht aus zwei Komponenten (Abb. 2):
- Der Aufschlag für erwartete Verluste berücksichtigt systematische, im Basispreis noch nicht enthaltene Kosten (etwa Ausgleichsenergiekosten bei RLM-Gaslieferungen), die im Erwartungswert zu einem negativen Rohertrag führen.
- Risiken aus darüber hinausgehenden Worst-Case-Verlusten werden über eine Risikoprämie berücksichtigt. Diese wird als Entlohnung für die eingegangenen Risiken seitens des Lieferanten interpretiert. Letztere werden über das implizit eingesetzte Risikokapital quantifiziert, das wiederum relativ zu einem bestimmten Worst-Case-Quantil der Rohertragsverteilung ermittelt wird.
Die hohe Detailtiefe des Simulationsmodells ermöglicht zwar eine genaue Modellierung der Aufschlagskomponenten, dessen Anwendung im täglichen Pricing-Prozess ist allerdings in den meisten Fällen zu aufwändig. Daher hat con|energy einen praxisorientierten Ansatz entwickelt, der speziell an die Bedürfnisse des operativen Pricings anpasst ist.
Zunächst wird eine möglichst umfangreiche Stichprobe aus dem Gesamtportfolio des Lieferanten zusammengestellt, welche Kunden mit heterogenen Abnahmeverhalten und Risikoprofilen enthält. Das beschriebene Simulationsmodell wird nun auf diese Stichprobe angewandt. Das erste Ergebnis ist ein umfangreicher Benchmark der eingesetzten Aufschlagskalkulation im Einsatz (Abb. 3).
Basierend darauf findet über Sensitivitätsanalysen und in Abstimmung mit dem Kunden die Festlegung der zentralen Modellparameter statt. Um Veränderungen am Markt und im Portfolio Rechnung zu tragen, sollte diese Stichprobenanalyse turnusmäßig, etwa alle drei bis sechs Monate, wiederholt werden, um die Ergebnisse zu aktualisieren.
Die so ermittelten kundenindividuellen Risikoaufschläge werden in einem vereinfachten Verfahren, welches ohne rechenintensive Simulationen auskommt, mit geeigneten, kundenspezifischen Kennzahlen ins Verhältnis gesetzt. Die Ergebnisse lassen sich so, mit Kenntnis der relevanten Kennzahlen, reproduzieren – und auf Kunden außerhalb der Stichprobe anwenden. Das hat den Vorteil, dass im operativen Pricing-Prozess lediglich die jeweiligen Kennzahlen des Kundenlastgangs ermittelt werden müssen, welche über einen einfachen funktionalen Zusammenhang zur Ermittlung des Risikoaufschlags genutzt werden. Die dafür notwendigen Berechnungen lassen sich ohne großen Aufwand in die bestehende IT-Landschaft integrieren. Dieses zweistufige Vorgehen ist in Abb. 4 schematisch dargestellt.
Neben der vollständigen IT-Integration in ein bestehendes Pricing-System stehen weitere, einfach und unkompliziert realisierbare Implementierungsoptionen zur Verfügung, welche die schnelle Anwendung des Pricing-Modells ermöglichen.
Erschienen im conenergy Newsletter Ausgabe 6 (Januar 2014).