So richtig will der „Smart Meter Rollout“ nicht ins Rollen kommen. Nachdem viele Akteure noch glaubten, zur E‑world präsentieren die Hersteller ihre vom BSI zertifizierten Gateways, wird langsam jedem klar: Der Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) verschiebt sich wieder einmal – und das auf frühestens Ende des Jahres. Grund dafür: die Schwachstellenanalyse, die am Ende des Zertifizierungsprozesses durchgeführt wird. Bislang konnte kein Hersteller eine in den Augen des BSI ausreichend geschützte Lieferkette für die Gateways vorlegen. Übertrieben? Möglicherweise – aber nicht zu ändern.
Auch bei der Aussage, wann der Startschuss für den Rollout fällt, ist der Markt sich uneinig. Die einen sagen Spätsommer, die anderen Dezember. Die Wahrheit liegt wohl, wie gewohnt, dazwischen. Aber muss dieser Umstand schlecht sein?
Schaut man sich die Landschaft der Energieversorger an, sind viele noch nicht „Smart Meter Ready“. Sei es die Umstellung auf das Interimsmodell der Marktkommunikation oder die Anpassungen der eigenen Prozesse auf das liberalisierte und digitalisierte Messwesen – abgeschlossen sind diese Aufgaben bei den meisten noch nicht. Zudem gibt es innerhalb der Energieversorger noch eine Gruppe, die bislang bei dem Thema eher noch verschlossen ist: der Vertrieb.
Das Messstellenbetriebsgesetz fordert in erster Linie zwar einen großen Einsatz der Netz- bzw. Messstellenbetreiber zur Umsetzung der Anforderungen. Aber das mit Inkrafttreten des Gesetzes der Wettbewerb im Energiemarkt weiter erhöht werden soll, ist auch unumstritten. Zudem passiert durch das Gesetz genau das, was viele Vertriebe vermeiden wollen: die Kunden werden aufgestört. Und das durch den Messstellenbetreiber. Eine Kommunikationsstrategie ist also das Mindeste, womit sich die Vertriebsabteilungen auseinandersetzen sollten. Sind sie damit aber für die Zukunft optimal aufgestellt? Können sie damit auch noch morgen Produkte verkaufen, Neukunden generieren oder die Kundenbeziehung – auch langfristig – halten?
Wahrscheinlich nicht, denn die schwergewichtigere Kundenbeziehung wird zukünftig der Messstellenbetreiber aufbauen, der zum einen sein Asset (das iMSys) beim Kunden verbaut und zum anderen eine direkte Datenverbindung, z. B. über Breitband, bereitstellen kann. In letzter Konsequenz wird es einfacher sein, zum Messstellenbetrieb noch Strom und Gas zu verkaufen, als anders herum.
Energievertriebe, die Nokias des Smart Meter Rollouts?
Wenn sich Vertriebe nicht mit dem Thema Smart Metering auseinandersetzen (wollen), erinnert es ein wenig an den damaligen Handy-Platzhirsch Nokia, der zu lange an Altbewährtem festhielt.
Damals wurde – erstens – die disruptive Kraft des Smartphones unterschätzt und die Herstellung als zu teuer bezeichnet. Über iMSys sagt man bislang das Gleiche. Sobald die Technik aber etablierter ist, werden sich nicht nur die Herstellungskosten reduzieren, sondern auch die Geräte weiterentwickelt haben. Denkbar wären iMSys, die bei Kunden als Schaltzentrale über alle Medien genutzt werden. Zweitens ruhten sich die Finnen auf der eigenen Marke und dem Erfolg der Vergangenheit aus. Ähnliches Bild auch hier bei den Versorgern. Die eigene Marke und die (noch) bestehende Kundenbeziehung wird als ein wesentliches Argument gezählt. Und drittens wurde auch bei Nokia zu kurzfristig gedacht, wodurch Innovationen systematisch erschwert wurden. Ein ähnliches Bild geben auch die heutigen Energieversorger ab, bei denen das Ausprobieren und Testen und somit die Kundenzentrierung immer noch nicht im Fokus der eigenen Produktentwicklung steht.
Ob die Energievertriebe mit ihrem Handeln ähnlich wie der finnische Handyhersteller scheitern werden, bleibt noch offen. Indizien für ein mögliches Scheitern gibt es jedoch.
Große Unternehmen aus der Wohnungswirtschaft planen schon jetzt für Ihre Liegenschaften einen flächendeckenden und medienübergreifenden Rollout von intelligenten Messsystemen, sobald ab 2021 das Auswahlrecht des Anschlussnehmers gemäß § 6 MsbG greift. Für diese Akteure ist es leicht, den Kunden zusätzlich noch ein Angebot für eine medienübergreifende Energielieferung zu machen.
Automobilhersteller werden sich in Zukunft verstärkt mit individuellen Lösungen zum Laden von Elektrofahrzeugen befassen und hierzu passende Hardware inklusive des Messkonzepts anbieten. Auch für diese Akteure ist es leicht eine Energielieferung mit in ihr Angebotsportfolio aufzunehmen.
Diese Akteure erhöhen den Wettbewerbs-druck für klassische Energievertriebe zusätzlich zu den bereits verfügbaren Angeboten der wettbewerblichen Messstellenbetreiber.
All diese Angebote rücken die Platzierung von Assets bei Kunden in den Vordergrund. Die Energielieferung wird vollständig zum Add-On.
Lieber mitspielen und die Möglichkeiten ergreifen, als auf der Bank sitzen
Da kommt doch der verzögerte Smart Meter Rollout gerade recht, sich aus Vertriebssicht strategisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das heißt nicht, dass jeder Energievertrieb einen wettbewerblichen Messstellenbetrieb ausprägen muss, aber sie sollten eine Antwort auf die Frage finden, wie und womit sie trotz steigendem Wettbewerb in Zukunft Neukunden akquirieren und Bestandskunden halten möchten.
Dazu haben wir als con|energy unternehmensberatung gmbh einen Projektansatz entwickelt, der über drei Schritte das strategische Vorhaben Ihres Vertriebs mit verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten prüft und die für Ihr Vorhaben sinn-vollste Variante identifiziert.
Schritt 1: Wir stellen Ihnen Rahmenbedingungen, Erfolgsfaktoren, Chancen und Stolperfallen für Vertriebe im Smart Metering und in der Rolle als wMSB vor. Darauf aufbauend sortieren und strukturieren wir Ihr vertriebliches Vorhaben anhand bewährter (und notwendiger) Elemente, wie Positionierung, Produkte und Zielgruppen etc.
Schritt 2: Wir zeigen Ihnen mögliche Umsetzungsmöglichkeiten in Abhängigkeit der Wertschöpfungstiefe zu Ihrem Vorhaben auf und diskutieren diese gemeinsam mit Ihnen.
Schritt 3: Zum Abschluss bewerten wir die diskutierten Umsetzungsmöglichkeiten und leiten die für Sie nächsten Schritte ab und überführen diese in einen Umsetzungsplan.
Wir durften bereits viele Energieversorger bei Fragestellungen rund um den Smart Meter Rollout begleiten – sowohl auf Netz- als auch auf Vertriebsseite.
Erschienen im conenergy Newsletter Ausgabe 41 (April 2018).