Energieversorger (EVU) sind erster Ansprechpartner und nicht selten der lange Arm der Stadt. Beim Thema Smart City kann das zum Stolperstein werden. Wer sich nicht als Gemischtwarenladen oder mit leeren Händen wiederfinden möchte, sollte eine klare Position beziehen.
Smartify your City!
Längst auf den Straßen vorreitender Metropolstädte angekommen, erhält der Megatrend spätestens in den aktuellen Legislaturperioden Einzug in die Bürgermeisterzimmer aller Orte. Modellstädte bekommen Milliardenförderungen, der Bund schiebt das Thema voran und die Städte ziehen mit. Grob pauschalisiert heißt es dann in den lokalen Aktionsplänen „Unser/e Region/Stadt/Dorf soll zum Nutzen der Bürger vernetzter, intelligenter und digitaler werden. Lebensqualität wollen wir steigern. Ökologischer wollen wir werden. Und alle helfen mit. Allen voran unsere städtischen Unternehmen“. Veränderungswillige Städtevertretungen und interessierte Bürger bitten also darum, dass der lokale Versorger Smart City vorlebt. Kaum ein Unternehmen ist im städtischen Umfeld nämlich mehr Umsetzungspartner der Stadt. Somit sind regionale Energieversorger und Stadtwerke per se an den Veränderungen in der Stadt beteiligt, tragen jedoch auch die Umsetzungsverantwortung für die Themen, welche die Stadt von Ihnen umgesetzt haben will. Dabei laufen sie Gefahr, zu stark der Stadt zu folgen und blind deren Plänen nachzulaufen. Doch was passt wirklich zum Stadtwerk und wofür steht das Stadtwerk im Smart City Umfeld? Hier sollte proaktiv und strategiebasiert gehandelt werden, denn nur dort, wo EVU Stärken haben oder sich ohnehin weiterentwickeln, können Sie auch Erfolge herbeiführen.
Stadtwerk bleib bei Deinen Leistungen! Und wachse aus Deinen Stärken.
Im Kern stehen Versorger für die Beherrschung der städtischen Themen Energie- und Wärme, einschließlich (dezentraler) Erzeugung. Verbundunternehmen bieten zudem Wasser‑, Telekommunikation‑, ÖPNV- und Bäderkompetenzen. Mehrheitlich wurden diese Kernthemen in der Vergangenheit um die Themen E‑Mobilität, Gebäudetechnik und Quartiersentwicklung ergänzt. Alles was in diesem Umfeld passiert, beanspruchen Energieversorger auch in der Entwicklung zu einer smarten Stadt für sich. Sind sie in diesen, ihren Themen digital, intelligent, vernetzt und bürgerfreundlich unterwegs, haben Versorger ihre dinglichsten Hausaufgaben für eine Smart City bereits auf dem Plan. Bei allem was bei diesen Themen nicht aktiv angegangen wird, machen sie sich angreifbar. Dabei ist die privatwirtschaftliche Konkurrenz in allen Facetten der Entwicklung groß. In Berlin – zum Beispiel – setzt die Wohnungswirtschaft mit sogenannten „Quartierswerken“ die Quartiersentwicklung um und vertikalisiert damit die eigene Wertschöpfungskette. Ganz ohne EVU. Volkswagen baut und betreibt Ladesäulen und verkauft den Strom dazu – nicht nur für die Elektrofahrzeuge, sondern auch für das gesamte Haus. Ganz ohne EVU. Lime und Tier betreiben das stark diskutierte Modell Roller-Sharing. Ganz ohne EVU. Welche dieser Wertschöpfungen hätten die Versorger lieber selbst generiert?
Eine sinnvolle Positionierung bedarf auch Negativabgrenzungen, also die Beantwortung der Frage „Welche Wertschöpfungen überlasse ich lieber der Konkurrenz?“ – die Versorger individuell für sich festlegen sollten. Angefangen bei LoRaWan-Netzwerken, welche noch nah am Infrastrukturbetrieb EVU aufgebaut werden können, sollten weitere mögliche Smart City Elemente zur Sprache kommen, darunter: Städteapps, Initiativen zur Stärkung des lokalen Gewerbes, Smartifizierung der Stadtverwaltung und Bildungseinrichtungen, etc. Hier gilt es für EVU, gemäß Ihren Stärken und der Kapazität ihrer Organisation zu entscheiden, wofür Sie Verantwortung übernehmen können. Dabei sollten Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit über die eigene Stadt hinaus wichtiger Orientierungspunkt für Ihre Entscheidungen sein, denn nur wenn die Gewinne langfristig generiert werden können, sind alle städtischen Akteure zufrieden.
Win-Win – Wenn man es richtig anstellt.
Grundsätzlich kommt der Megatrend für die Stadtwerke wie gerufen. Das Thema sorgt für Interesse beim Bürger, seitens der Städte besteht Investitionsbereitschaft und EVU können Ihre Stärken, insbesondere ihr Infrastruktur Know-how ausspielen. Zudem laufen die Innovations- und Digitalisierungsbemühungen der EVU derzeit auf Hochtouren und Partnerfähigkeit ist in vielen Bereichen erprobt. Smart City ist dabei eine weitere Chance – durch hohe Visibilität – dem verstaubten Image als städtisches Unternehmen zu entkommen und fast schon wie im Sponsoring das Profil des kompetenten Gestalters für die Stadt zu stärken. Wem es gelingt, über sichtbare Elemente und gute Stories in der Stadt sein Image als modernes Unternehmen zu hinterlassen, bestätigt, was schon lange gilt, „bei kreativen technischen Themen in der Stadt kommt man um das Stadtwerk nicht herum“ und stärkt so auch die Zusatzgeschäfte für Privathaushalte. Durch die Langfristigkeit innerstädtischer Smart City Elemente hat dies auch eine langfristige Wirkung auf den Markennamen und so wird dieser nicht vorrangig mit Tarifsenkung/-erhöhung und Rechnung assoziiert. Gewinner der Smart City sind dann alle. Der Bürger, die Stadt und das EVU.
Wie also Starten? Strategisch positioniert und mit Piloten in einem Modellquartier
Ob angetrieben von den Bemühungen der Stadt, der Konkurrenz oder dem Tatendrang ihrer Mitarbeiter, sollten Energieversorger dem Trend jetzt folgen, wollen Sie die Entwicklungen nicht verschlafen. Dabei hilft ein pragmatischer Blick auf konkrete Beispiele von Smart City Initiativen anderer Städte und Versorger. Auf Basis dessen, ihrer bestehenden Unternehmensstrategie sowie möglicher Positionierungsalternativen können EVU sich trennscharf positionieren. Haben sie ihre Go und No-Go Themen dann gefunden, können sie fokussiert, klar abgegrenzt zu anderen städtischen Unternehmen und mit Sicherheit für ihre Mitarbeit die smarten Themen umsetzen.
Welche Geschäftsmodelle dann funktionieren, zeigt die Praxis im Kontakt mit dem Bürger. EVU, die sich nicht am Kundenutzen und dessen Feedback orientieren, mussten dies bereits schmerzlich feststellen. Wie in allen Produktentwicklungen lohnt sich also ein Testfeld. EVUs nutzen für städtische Themen vielerorts ein Modellquartier (EUREF in Berlin, 22 Blocks in Amsterdam, Franklin in Mannheim, etc.). Alles was EVU im Quartier erfolgreich umsetzen können, bietet die Möglichkeit aus Erfahrung in die Breite zu wachsen. Dort finden ihre Kernthemen statt und ihr Erfolg auf kleiner Ebene beugt dem Verlust des Kundenzugangs (andere Player bedienen Bewohner mit Strom/Gas, andere Messtellenbetreiber etc.) vor. Ihre Erfolge auf dem visuellen Schauplatz wird der städtische Flurfunk sicher schnell in die Stadt tragen.