Digitalisierung – Kein Begriff wurde in den letzten Jahren so oft aufgegriffen, keine Fachtagung kam ohne sie als Fokusthema aus, keine Studie, die sie nicht als zentralen Faktor für die Entwicklung der Energiewirtschaft gesehen hat. Aber wie treiben deutsche Energieversorger aktuell ihre Digitale Transformation voran? Es wird Zeit aus der Sicht eines Dienstleister, der Energieversorger verschiedener Größenordnungen aktiv bei ihrer Digitalen Transformation begleitet, Bilanz zu ziehen.
Digitalisierungstypen
Auf dem Markt beobachten wir aktuell drei Haltungen von Versorgern gegenüber der Digitalisierung:
“Alles zum Kunden heraus wurde digitalisiert” – es bietet sich an, mit Energieversorgern zu beginnen, deren Haltung vom Endkunden am präsentesten wahrgenommen wird – also Versorger, welche ihre Digitale Transformation auf die Berührungspunkte mit dem Kunden fokussieren. Die Digitalisierung der Produkte scheint über ein Onlineprodukt abgeschlossen zu sein, Social Media Budgets werden erhöht und moderne Kontaktkanäle wie WhatsApp in den Kundenservice integriert. Eine Gutschein-App ist genauso eingeführt wie ein Kundenportal. Der Versorger hat das Gefühl, seine Digitale Transformation abgeschlossen zu haben. Doch der Teufel liegt im Detail, denn Digitalisierung bedeutet nicht einfach den nächsten technologischen Schritt zu gehen, sondern digitale Technologien zu nutzen, um bestehende Geschäftsmodelle, Organisationen und Geschäftsprozesse prinzipiell zu hinterfragen. Die Organisation gilt es so zu transformieren, dass die Mitarbeiter befähigt werden, Innovationen aus maximaler Kundenperspektive zu entwickeln und in die Produktform zu tragen. Geschäftsprozesse und damit insbesondere Verwaltungsprozesse sind so auszugestalten, dass eine effiziente und mobile Abwicklung sichergestellt ist.
“Die Digitalisierung spielt für einen Versorger unserer Größenordnung keine Rolle” – diese Haltung beobachten wir insbesondere bei kleineren Stadtwerken. Die Annahme der Stadtwerke basiert hier darauf, dass zwischen Mitarbeitern kurze Wege bestehen, Absprachen folglich sowieso regelmäßig durchgeführt werden, die Kundenloyalität durch die regionale Verankerung gesichert ist und die demografische Struktur der Kunden keine digitalen Kanäle zulässt. Selbstverständlich kann die Digitalisierung nicht als einspurige Straße aufgefasst werden, dennoch gilt es für die Branche, digitale neben analogen Strukturen aufzubauen. Aktuelle Lizenzmodelle sowie agile Umsetzungsmethoden erlauben es inzwischen auch für kleinere Unternehmen ihre Prozesse systemgestützt zu digitalisieren, eine durchdachte digitale Präsenz ist längst von der Kür zum Hygienefaktor geworden und die Digitalisierung ist alters-gruppenübergreifend im Alltag der Kunden angekommen.
“Die Digitalisierung wird bei uns ganzheitlich, mit von einer Strategie abgeleiteten Maßnahmen zur Transformation von Geschäftsmodell, Organisation, Kultur, Kommunikation und Geschäftsprozessen, angegangen. In diese Transformation werden alle Mitarbeiter eingebunden.” – Versorger mit dieser Einstellung zur Digitalisierung sehen wir für einen nachhaltigen Erfolg am Besten aufgestellt. Sie haben verstanden, dass die Digitalisierung drei zentrale Handlungsfelder umfasst.
Konkret sind diese Felder die Transformation des Geschäftsmodells zum Angebot digitaler Produkte und Services, die Erweiterung der digitalen Kundenschnittstelle und das Heben von Effizienzpotenzialen in Prozessen über die Optimierung der Systemunterstützung. Alle drei Handlungsfelder werden durch die Aufbereitung und Verwertung von Daten unterstützt.
1. Digitale Produkte und Services
Dieses erste Handlungsfeld betrifft sowohl die Digitalisierung von Bestandsprodukten als auch die Ausweitung des Angebotsportfolios über Werkzeuge der Digitalisierung wie Apps, Portale und die Datenauswertung. Bestandsprodukte sind über den Aufbau eines konsequent aus Kundensicht gedachten, digitalen Nutzungserlebnisses um das Produkt herum zu transformieren. Dies beginnt mit der datengestützten, personalisierten Ansprache geeigneter Zielkunden und setzt sich mit digitalisierten Vertragsabschluss‑, Abrechnungs- und Kundenserviceprozessen fort. Doch hier muss die Digitalisierung noch nicht aufhören. Eine Auswertung des Nutzungsverhaltens der Kunden bietet Möglichkeiten für Zusatzleistungen sowie Cross- und Up-Selling. Mit der Einführung von intelligenten Messsystemen werden sich die Möglichkeiten, dem Kunden über eine Auswertung seines Verbrauchs (=Nutzung) neue Mehrwerte zu bieten, deutlich vergrößern.
Weiterführend bietet die Digitalisierung Energieversorgern die Möglichkeit, ihr traditionelles Geschäft auszuweiten. Beispielsweise ermöglichen Portallösungen einen Auftritt als regionaler Markplatzbetreiber für energienahe Dienstleistungen. Ausgewählten Kundengruppen, wie der Wohnungswirtschaft, kann über ein Portal die individuelle Übernahme von Abwicklungs- und Abrechnungsprozessen angeboten werden.
2. Kommunikation
Um den Bedürfnissen des digitalen Kunden gerecht zu werden, ist die zeitgemäße Kommunikationsschnittstelle zum Kunden ganzheitlich zu betrachten. Hierbei sollte die Customer Journey (Phasen vor, während und nach der Kaufentscheidung) als für den Kunden durchgängiges Nutzererlebnis gestaltet werden. Alle Berührungspunkte mit dem Kunden und die darauf platzierten Themen sind nahtlos in das Kundenerlebnis zu integrieren. Insbesondere ist hier wichtig, dass die Systemunterstützung und Datenanalysewerkzeuge den Mitarbeitern im Kundenkontakt einen kanal- und bereichsübergreifenden Überblick bieten, um die Bearbeitung der Kundenanliegen möglichst effizient zu gestalten und Cross- und Upsellingpotentiale wahrzunehmen.
3. Prozesse und Systeme
Dieses dritte Handlungsfeld ist in der Relevanz mindestens gleichwertig anzusiedeln, wird aber bei Energieversorgern häufig gegenüber den ersten beiden aufgrund weniger direkter Berührungspunkte mit dem Kunden vernachlässigt. Für eine vollständige Digitale Transformation sind alle internen Abläufe nach dem aktuellen Stand der Technik abzubilden. Dies betrifft beispielsweise die Digitalisierung des Posteingangs und des Dokumentenmanagements und setzt sich über alle Verwaltungsprozesse hinweg fort. Die Prüfung des operativen Geschäfts auf Ineffizienzen sollte über verbindliche Mechanismen kontinuierlich erfolgen.
Ausblick
Was wäre folglich ein Muster zur Vorgehensweise für die Digitale Transformation? An erster Stelle steht hier die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie. Diese sollte unter Einbezug der Geschäftsführung, aller Fachbereiche und der IT entwickelt werden. Im nächsten Schritt werden aus dieser Strategie ineinander konsistente Maßnahmen abgeleitet. Für deren Umsetzung gilt es abschließend ein umfassendes Change Management zu etablieren und insbesondere diejenigen mitzunehmen, welche die Maßnahmen in ihrem operativen Geschäft leben müssen: die Menschen in Ihrem Unternehmen.
Mit unserer Erfahrung aus einer Vielzahl an Strategie- und Umsetzungsprojekten im Rahmen der Digitalisierung unterstützen wir Sie bei Ihrer Digitalen Transformation.
Wir haben Ihr Interesse geweckt und Sie sind an einer Diskussion zum Thema interessiert? Wir stehen Ihnen jeder Zeit gerne zur Verfügung, sprechen Sie uns an.
Erschienen im conenergy Newsletter Ausgabe 37 (September 2017).